Familiennachzug nach Deutschland: Was Sie wissen müssen

Umfassender Guide zum Familiennachzug nach Deutschland, erforderliche Dokumente, Voraussetzungen und der gesamte Prozess Schritt für Schritt erklärt.

Was ist Familiennachzug?

Der Familiennachzug ermöglicht es Familienmitgliedern, zu ihren in Deutschland lebenden Angehörigen zu ziehen. Dies ist ein wichtiger Baustein der deutschen Integrationspolitik und soll Familien zusammenführen. Der Familiennachzug ist sowohl für deutsche Staatsangehörige als auch für ausländische Personen mit entsprechendem Aufenthaltstitel möglich.

Wer kann nachziehen?

Ehepartner und eingetragene Lebenspartner

  • Rechtsgültig geschlossene Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft
  • Beide Partner müssen mindestens 18 Jahre alt sein
  • Die Ehe/Partnerschaft darf nicht nur zum Zweck der Einreise geschlossen worden sein

Minderjährige Kinder

  • Leibliche Kinder unter 18 Jahren
  • Adoptierte Kinder (wenn Adoption rechtskräftig anerkannt)
  • Stiefkinder unter bestimmten Voraussetzungen
  • Beide Elternteile oder der sorgeberechtigte Elternteil muss zustimmen

Volljährige Kinder

  • Nur in besonderen Härtefällen möglich
  • Besondere Umstände müssen vorliegen (Behinderung, besondere Schutzbedürftigkeit)
  • Einzelfallprüfung durch die Behörden

Eltern

  • Nachzug zu deutschen Staatsangehörigen oder Personen mit Niederlassungserlaubnis
  • Nachweis der Pflegebedürftigkeit oder besonderen Härte erforderlich
  • Ausreichende finanzielle Mittel müssen vorhanden sein

Voraussetzungen für den Familiennachzug

Voraussetzungen beim in Deutschland lebenden Sponsor

  • Aufenthaltstitel: Deutsche Staatsangehörigkeit, Niederlassungserlaubnis oder bestimmte Aufenthaltserlaubnisse
  • Wohnraum: Ausreichender Wohnraum für die gesamte Familie
  • Lebensunterhalt: Sicherung des Lebensunterhalts ohne Sozialhilfe
  • Krankenversicherung: Nachweis der Krankenversicherung

Voraussetzungen beim nachziehenden Familienangehörigen

  • Sprachkenntnisse: Grundkenntnisse der deutschen Sprache (A1-Level)
  • Identitätsnachweis: Gültige Reisedokumente
  • Keine Ausreiseperre: Keine Einreise- oder Aufenthaltsverbote
  • Gesundheit: Keine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit

Sprachanforderungen im Detail

Wann sind Sprachkenntnisse erforderlich?

Grundsätzlich müssen nachziehende Ehepartner und Lebenspartner einfache deutsche Sprachkenntnisse (A1-Level) nachweisen. Dies gilt nicht für:

  • Staatsangehörige der EU, EWR-Staaten, USA, Australien, Kanada, Israel, Japan, Neuseeland und Südkorea
  • Nachzug zu deutschen Staatsangehörigen
  • Nachzug zu Personen mit EU Blue Card oder ICT-Karte
  • Hochqualifizierte Fachkräfte und deren Ehepartner
  • Besondere Härtefälle (Krankheit, Behinderung, hohes Alter)

Anerkennung von Sprachzertifikaten

Akzeptierte Sprachzertifikate für das A1-Level:

  • Goethe-Zertifikat A1
  • telc Deutsch A1
  • ÖSD Zertifikat A1
  • DeutschTest für Zuwanderer (DTZ)
  • Weitere anerkannte Prüfungen gemäß GER

Erforderliche Dokumente

Allgemeine Dokumente

  • Vollständig ausgefüllter Antrag auf Erteilung eines nationalen Visas
  • Gültiger Reisepass (mindestens 3 Monate über geplante Ausreise gültig)
  • Biometrische Passfotos nach aktuellen Bestimmungen
  • Krankenversicherungsnachweis
  • Führungszeugnis aus dem Heimatland

Nachweise der Familienverhältnisse

  • Ehepartner: Heiratsurkunde (internationale Form oder beglaubigte Übersetzung)
  • Kinder: Geburtsurkunde mit Nachweis der Elternschaft
  • Sorgerecht: Bei getrennt lebenden Eltern Nachweis des Sorgerechts
  • Adoption: Adoptionsurkunde

Dokumente des Sponsors in Deutschland

  • Kopie des Reisepasses oder Personalausweises
  • Aufenthaltstitel oder Einbürgerungsurkunde
  • Meldebescheinigung
  • Einkommensnachweise (Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheid)
  • Arbeitsvertrag oder Gewerbeanmeldung
  • Nachweis der Krankenversicherung

Wohnraum und Finanzierung

  • Mietvertrag oder Eigentumsnachweis
  • Wohnungsgeberbestätigung
  • Grundriss der Wohnung
  • Kontoauszüge der letzten 3 Monate
  • Bescheinigung über Sozialleistungen (falls zutreffend)

Sprachnachweise

  • Sprachzertifikat A1 oder höher
  • Nachweis über Deutschkursteilnahme
  • Bei Befreiung: entsprechende Nachweise

Der Antragsprozess Schritt für Schritt

Phase 1: Vorbereitung in Deutschland

  1. Prüfung der Voraussetzungen: Überprüfung des eigenen Aufenthaltsstatus und der Erfüllung aller Kriterien
  2. Wohnraum sichern: Angemessene Wohnung für die Familie finden
  3. Finanzierung sicherstellen: Nachweis ausreichender Einkünfte
  4. Dokumente sammeln: Alle erforderlichen Unterlagen zusammentragen

Phase 2: Antragstellung im Ausland

  1. Sprachkurs: Deutsche Sprachkenntnisse erwerben (falls erforderlich)
  2. Dokumentenbeschaffung: Alle persönlichen Dokumente besorgen
  3. Terminvereinbarung: Termin bei der deutschen Auslandsvertretung
  4. Antragstellung: Einreichung aller Dokumente bei der Botschaft/dem Konsulat

Phase 3: Prüfung und Entscheidung

  1. Vorprüfung: Prüfung durch die Auslandsvertretung
  2. Weiterleitung: Übersendung an die Ausländerbehörde in Deutschland
  3. Hauptprüfung: Detaillierte Prüfung aller Voraussetzungen
  4. Entscheidung: Visa-Erteilung oder Ablehnung

Phase 4: Einreise und Integration

  1. Visa-Abholung: Abholung des Visas bei der Auslandsvertretung
  2. Einreise: Einreise nach Deutschland innerhalb der Gültigkeitsdauer
  3. Anmeldung: Anmeldung bei der örtlichen Meldebehörde
  4. Aufenthaltserlaubnis: Beantragung der Aufenthaltserlaubnis

Bearbeitungszeiten und Kosten

Typische Bearbeitungszeiten

  • Ehepartner/Lebenspartner: 2-6 Monate
  • Minderjährige Kinder: 2-4 Monate
  • Komplexe Fälle: 6-12 Monate
  • Bei fehlenden Dokumenten: Verzögerungen um mehrere Monate

Anfallende Kosten

  • Visa-Gebühr: 75 EUR (oft ermäßigt oder kostenfrei)
  • Sprachkurs und Zertifikat: 200-500 EUR
  • Dokumentenbeschaffung: 50-200 EUR
  • Übersetzungen und Beglaubigungen: 100-300 EUR
  • Reisekosten: Variabel je nach Herkunftsland
  • Aufenthaltserlaubnis in Deutschland: 100 EUR

Wohnraumanforderungen

Mindestanforderungen

Der Wohnraum muss angemessen sein. Als Richtlinie gelten:

  • 1-2 Personen: Mindestens 48-60 m²
  • 3 Personen: Mindestens 60-72 m²
  • 4 Personen: Mindestens 72-84 m²
  • Jede weitere Person: Zusätzlich 12 m²

Qualitative Anforderungen

  • Separate Wohn- und Schlafräume
  • Küche oder Küchenzeile
  • Badezimmer mit WC
  • Heizung und fließendes Wasser
  • Ausreichend Tageslicht
  • Keine Gesundheitsgefährdung

Nachweise

  • Mietvertrag oder Kaufvertrag
  • Wohnungsgeberbestätigung
  • Grundriss mit Raumaufteilung
  • Bei Untermietverhältnissen: Einverständnis des Hauptmieters

Finanzielle Voraussetzungen

Lebensunterhaltssicherung

Das Einkommen muss ausreichen, um den Lebensunterhalt der gesamten Familie zu sichern, ohne auf Sozialhilfe angewiesen zu sein.

Orientierungswerte für das Mindesteinkommen

  • Alleinstehender: Ca. 1.200 EUR netto/Monat
  • Ehepaar: Ca. 1.800 EUR netto/Monat
  • Pro Kind zusätzlich: Ca. 400-500 EUR
  • Regionale Unterschiede: In teuren Städten höhere Anforderungen

Anerkannte Einkommensarten

  • Lohn oder Gehalt aus abhängiger Beschäftigung
  • Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit
  • Renten und Pensionen
  • Kapitalerträge und Mieteinnahmen
  • Unterhaltszahlungen

Nicht anrechnungsfähig

  • Sozialhilfe (Bürgergeld/ALG II)
  • Arbeitslosengeld I (in der Regel)
  • Kindergeld (wird meist nicht mitgerechnet)
  • Wohngeld

Häufige Ablehnungsgründe

Dokumentationsprobleme

  • Unvollständige oder fehlerhafte Anträge
  • Fehlende oder ungültige Dokumente
  • Zweifel an der Echtheit von Dokumenten
  • Unzureichende Übersetzungen

Finanzielle Gründe

  • Unzureichendes Einkommen
  • Abhängigkeit von Sozialleistungen
  • Unregelmäßige Einkünfte
  • Hohe Verschuldung

Wohnraumprobleme

  • Zu kleine Wohnung
  • Unzureichende Wohnqualität
  • Fehlende Mieterlaubnis
  • Unklare Wohnverhältnisse

Integrationshindernisse

  • Fehlende Deutschkenntnisse
  • Zweifel an der Integrationsbereitschaft
  • Vorherige Verstöße gegen Aufenthaltsrecht
  • Sicherheitsbedenken

Praktische Tipps für den Erfolg

Vor der Antragstellung

  • Frühe Planung: Beginnen Sie mindestens 6 Monate vor gewünschter Einreise
  • Sprachvorbereitung: Starten Sie Deutschkurse frühzeitig
  • Finanzplanung: Sorgen Sie für stabile Einkommensverhältnisse
  • Wohnungssuche: Sichern Sie angemessenen Wohnraum

Bei der Antragstellung

  • Vollständigkeit: Reichen Sie alle Dokumente vollständig ein
  • Qualität: Sorgen Sie für professionelle Übersetzungen
  • Ehrlichkeit: Machen Sie nur wahrheitsgemäße Angaben
  • Pünktlichkeit: Halten Sie alle Termine ein

Nach der Einreise

  • Anmeldung: Melden Sie sich sofort bei der Meldebehörde an
  • Aufenthaltserlaubnis: Beantragen Sie rechtzeitig die Aufenthaltserlaubnis
  • Integration: Nehmen Sie an Integrationskursen teil
  • Krankenversicherung: Sorgen Sie für ausreichenden Versicherungsschutz

Besondere Schutzbestimmungen

Schutz vor Zwangsheirat

Deutschland hat besondere Bestimmungen zum Schutz vor Zwangsheirat:

  • Mindestalter von 18 Jahren für beide Ehepartner
  • Prüfung der Freiwilligkeit der Eheschließung
  • Besondere Beratungsangebote für Betroffene
  • Möglichkeit der Rückkehr nach Deutschland bei Zwangsheirat im Ausland

Kinderschutz

  • Besondere Berücksichtigung des Kindeswohls
  • Beschleunigte Verfahren bei Kindern
  • Schutz vor Kinderarbeit und -missbrauch
  • Recht auf Bildung und Integration

Opferschutz

  • Besondere Bestimmungen für Opfer häuslicher Gewalt
  • Eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Trennung
  • Beratung und Unterstützung durch spezialisierte Stellen
  • Schutz vor Abschiebung in gefährliche Situationen

Integration und Weiterführung

Integrationskurse

Nach der Einreise haben Sie Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen:

  • Sprachkurs: 600 Stunden Deutsch (A1 bis B1)
  • Orientierungskurs: 100 Stunden über deutsche Geschichte, Kultur und Rechtssystem
  • Kosten: 2,29 EUR pro Stunde (bei geringem Einkommen kostenfrei)
  • Abschluss: Deutsch-Test für Zuwanderer (DTZ) und Test "Leben in Deutschland"

Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

  • Erste Verlängerung meist für 1-2 Jahre
  • Nachweis fortbestehender Voraussetzungen erforderlich
  • Integrationsbemühungen werden positiv bewertet
  • Ausreichende Deutschkenntnisse erforderlich

Weg zur Niederlassungserlaubnis

  • Nach 5 Jahren: Antrag auf Niederlassungserlaubnis möglich
  • Voraussetzungen: B1-Deutschkenntnisse, gesicherter Lebensunterhalt, Straffreiheit
  • Vorteile: Unbefristeter Aufenthalt, freie Berufswahl, erleichterte Einbürgerung

Professionelle Unterstützung

Der Familiennachzug ist ein komplexer Prozess mit vielen rechtlichen und praktischen Herausforderungen. Professionelle Beratung kann Ihnen helfen:

  • Die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen
  • Alle erforderlichen Dokumente korrekt vorzubereiten
  • Häufige Fehler und Verzögerungen zu vermeiden
  • Bei Problemen schnell Lösungen zu finden
  • Den gesamten Prozess professionell zu begleiten
  • Bei Ablehnungen Widerspruch einzulegen oder Alternativen zu finden

Bei Knowledge Lighthouse verstehen wir die emotionale Bedeutung des Familiennachzugs und setzen uns engagiert für eine erfolgreiche Familienzusammenführung ein.

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